Turbonegro

KingPin

Ich will Dyers eve!!
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Ort
Nürnreuth
GERÜCHTEKÜCHE - KEINE BESTÄTIGUNG

Stellt euch vor, sechs Typen, die aus einem Tom Of Finland-Comic entsprungen sein könnten, schnallen sich Klampfen um, stecken sich Wunderkerzen in den Allerwertesten und rocken wie der Antichrist persönlich, dann habt ihr ungefähr eine Vorstellung davon, wer Turbonegro sind. Aber nicht Finnland, sondern Norwegen ist die Heimat dieser Wahnsinnscombo, die zunächst bis 1998 die Independent-Gemeinde in höchste Verzückungen versetzt, wenn sie eine ihrer zahllosen Singles oder Alben auf den Markt schmeißen oder die Konzertsäle mit ihrem dreckigen Monster-Gitarrensound zum Beben bringen.
Stilistisch stark am siebziger Hardrock angelehnt, mit der nötigen Prise Motorhead, MC5 und einem Sahnehäubchen Ramones, treten sie Ende der Achtziger ihren Siegeszug durch die Welt an. Der Name soll der Legende nach für "A Well Equipped, Armed Black Male, In A Fast Car, Out For Vengeance" stehen. Die Norweger scheren sich um Konventionen und guten Geschmack so viel wie Helmut Kohl um die Gesetze. Dennoch scheidet der Alternativ-Name Nazipenis früh aus. Mit Insignien der Gay-Szene zu spielen, gehört bei ihnen ebenso zum Geschäft, wie anderen Leuten ans Bein zu pinkeln. So haben sie Kurt Cobain prophezeit, dass er sich bald von eigener Hand ins Jenseits befördern wird. Pietät ist demnach nicht ihre Sache und die Fans scheinen es zu mögen.

Als zur Weihnachtszeit 1988 in Oslo Bassist Thomas Seltzer die Band aus der Taufe hebt, kann noch niemand ahnen, dass diese Weirdos Mitte bis Ende der Neunziger einige der besten Scheiben im Punkrock-Bereich veröffentlichen werden. Die Anfangstage sind durch Besetzungswechsel, massige 7"- und 12"-Releases sowie Namensänderungen gekennzeichnet. Zwischendurch nennen sie sich sogar "Stierkampf". So richtig geht die Luzie aber erst ab, als Sänger Hank Van Helvete ans Mikro tritt (erstmals im April 1993). Außer ihm gehören Gitarren-Wunderkind Euroboy aka Knut Schreiner, Rhythmus-Gitarrist Rune Rebellion, Basser Happy Tom, Keyboarder Pal Pot Pamparius und Drummer Chris Summers zum berühmten Turbonegro-Line Up. Die Alben "Never Is Forever", "Ass Cobra" und vor allem das grandiose "Apocalypse Dudes" gehören nach wie vor zum Muss für jeden Punk- und Heavyrock-Begeisterten. Letztere Scheibe ruft das Beastie Boys-Label Grand Royal zum "Rock'n'Roll album of the decade" aus.

Nach diesem Deathpunk-Paukenschlag und der anschließenden "Darkness Forever"-Tour trennt sich die Band zum großen Bedauern der bis in die USA reichenden Fanschar. Jeanskutten mit der Aufschrift Turbojugend Oslo oder St. Pauli sind längst Kult. Mittlerweile kann sich jeder Anhänger sein eigenes Dorf als Rückenaufschrift per Mailorder-Service bestellen. Der Band-Split kam zwischen den Gigs in Straßburg und München '98 zustande, Sänger Hanks "mentale Probleme" erreichten immer extremere Formen. Happy Tom formulierte es damals folgendermaßen: "Turbonegro löste sich im Wartezimmer einer psychiatrischen Krankenstation in Mailand auf".

In den Jahren bis zur Reunion gingen die Band und Hank getrennte Wege, der Sänger kurierte vor allem seine Heroinsucht in seiner Heimat, den Lofoten. Doch die Band wurde während ihrer Abwesenheit immer populärer und so kam es 2002 dann unweigerlich zur Reunion. Festivalgigs in Deutschland, Norwegen und Schweden unter dem Titel "Res-Erection Tour" stellen den Beginn einer triumphalen Rückkehr dar. Auch im Studio steht die Band mittlerweile wieder ihren Mann. Im April 2003 erscheint das neue Studioalbum "Scandinavian Leather" beim Punklabel Burning Heart. Das Album-Cover designte niemand Geringeres als Klaus Voormann, der als "der fünfte Beatle" bekannt wurde und für die Gestaltung des "Revolver"-Covers von 1966 einen Grammy erhielt.

Den Sommer 2003 nutzen die Wiedervereinigten zur ausgiebigen Festivaltournee. Ein unfreiwillig komischer Zwischenfall ereignet sich im Juni am Stuttgarter Flughafen, als die Band nach zum Hurricane Festival will: Ein aufmerksamer Sicherheitsbeamter findet im Gepäck der Norweger einen Dolch, der sich in Hanks Spazierstock befindet. Es braucht einige Zeit, die sofort alarmierte Polizei davon zu überzeugen, dass der 45 cm lange Dolch zum Bühnenoutfit gehört und obendrein noch nie benutzt wurde. Die Band besteht auf Kollektivschuld, so dass sich Bandintimus Trond kurz verhaften lässt, um gegen eine Geldstrafe wieder entlassen zu werden. Happy Tom kommentiert die Aufregung später so: "In was für einer Welt leben wir, in der Männer mit langem schwarzen Haar und langen schwarzen Bärten keine 45 cm-Dolche mehr in Flugzeuge mitnehmen können?"

Im Februar 2005 erscheint als Vorgeschmack auf das neue Album "Babylon Forever" die DVD "The Reserection", die das Comeback der sechs Norweger ausführlich dokumentiert.

Quelle: www.laut.de

Homepage: www.turbonegro.com